Halbzeit, dreieinhalb Monate sind um und heute Abend gehen wir ins Restaurant und werden die Halbzeit feiern. Dazu fahren wir in den Stadtteil, in dem wir im letzten Jahr gewohnt haben und gehen ins Restaurant Hoang Bien, oder Fast Toilet, wie wir es damals genannt haben.
Wenn wir dorthin kommen, dann ist das jedes Mal so, als wenn wir die Familie besuchen würden. Alle freuen sich und das Essen ist immer sehr gut. Neuerdings gibt es jetzt freitags auf einer Bühne Karaoke.
Wir schütten uns immer aus vor Lachen, wenn absolut unmusikalische Leute ihr „Können“ dort zum Besten geben. Luong hat uns teilweise die Texte übersetzt und natürlich geht es dabei auch in Vietnam vor allem um Herz und Schmerz
Weihnachten und Neujahr haben wir gut verbracht, ganz ohne Aufregung. Der Weihnachtsmann hat mir dann auch hier ein Geschenk gebracht, nämlich ein weiteres Motorbike, eine weiße Honda Airblade. Das macht schon richtig Spaß damit herumzubrummen, besonders weil es mit Vollautomatik ist.
Das Wetter ist weiter schön und bei 29-31°C lässt es sich gut aushalten. Der Winter hier hat aber auch das Meerwasser abgekühlt, sodass wir jetzt nur noch eine Wassertemperatur von 27° haben.
Jetzt haben wir auch noch 20 km entfernt eine schöne Bucht entdeckt, in der wenig Menschen sind. Dafür gibt es
einige kleine Restaurants, die den frischesten Fisch anbieten. Aus den dort gemachten Fotos hat Google eigenständig für mich ein schönes Panoramafoto angefertigt.
Vorab gleich zu dem Wichtigsten, unserem Projekt für Luongs Zukunft.
Wir freuen uns jeden Tag, dass wir schlau genug waren kein Cafe und keinen Laden zu eröffnen. Hier in Nha Trang kann man im Zeitraffer erleben, wie Kapitalismus funktioniert.
Jemand macht ein Cafe auf und ist damit erfolgreich im Markt. In kürzester Zeit stürzen sich andere in dieselbe Branche und eröffnen fast jeden Tag neue Cafés, mit teilweise erheblichen Investitionen.
Als wir in unseren Stadtteil zogen, gab es vielleicht drei Cafés in unserer unmittelbaren Nähe. Nun sind daraus etwa zehn Läden geworden, die alle nicht mehr richtig Umsatz erwirtschaften können. Das Ende ist absehbar.
Mit Läden ist es noch schlimmer, da einfach die Kaufkraft vieler Touristen fehlt. Der Euro hat zum Dollar in den letzten zwei Jahren gut 25 Prozent verloren, der russische Rubel sogar 150 Prozent. Leider ist der vietnamesische Dong direkt an den Dollar gekoppelt. Die Anzahl der Touristen ist trotz allem nicht weniger geworden aber ihr Konsumverhalten hat sich drastisch geändert.
Anfangs befürchtete Luong, das sie das Metier der Maklerin nicht beherrschen wird. Wir haben ihr die Bedenken genommen, da wir ganz sicher waren, das ist etwas für ihre Fähigkeiten. Beim Auftakt habe ich gleich die Erwartungshaltung heruntergeschraubt, da wir es mit genügend etablierter Konkurrenz zu tun haben und vietnamesische Hausbesitzer nicht gern die Maklergebühr bezahlen wollen. Ich habe den Zeithorizont für Luongs Erfolg erst nach etwa zweijähriger wirklich harter Arbeit gesehen.
Nun ist es aber anders gekommen. Nachdem wir die ersten 500 Flyer in Vietnamesisch und Englisch verteilt hatten, meldeten sich ganz schnell viele Wohnungseigentümer und baten Luong dafür Mieter zu suchen. Die erste Vermietung erfolgte direkt vor unserem Haus. Luong traf ein junges Ehepaar mit Kind, aus der Ukraine, die englisch sprachen und die ganz schnell eine neue Wohnung suchten. In wenigen Stunden fand Luong die passende Wohnung für Julia, Alexander und Sohn Gleb und besorgte bei strömendem Regen den Umzugswagen. Beide arbeiten hier in Nha Trang für russische Touristikunternehmen und wollen mehrere Jahre hierbleiben.
Damit hatte Luong unbewusst einen echten Treffer gemacht. Von da an hatte sie Zugang zu der russisch-ukrainischen Szene in Nha Trang. Viele junge Russinnen und Russen, aber auch Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiten hier friedlich nebeneinander für russische Touristikunternehmen, die vor allem im Direktflug von Moskau Pauschalurlauber nach Nha Trang bringen.
Zur Klarheit, hier gibt es nirgendwo ein All-inclusive Angebot zum Flatrate trinken in den Hotels. Nach fast zwei Jahren hier können wir sagen, die Urlauber aus Russland sind alle nett und freundlich.
Diejenigen, die aber für diese Unternehmen arbeiten, brauchen kurzfristig guten und bezahlbaren Wohnraum und alle drei Monate Visaverlängerungen. Dafür sorgt Luong. Sie ist richtig aufgeblüht in dem Geschäft und arbeitet jeden Tag hart, um Wohnungen zu finden und an Klienten zu vermieten. Manchmal sind darunter auch mehr wohlhabende, für die sie Studios und Apartments am Strand besorgen kann.
Sie ist wirklich erfolgreich und konnte für vietnamesische Verhältnisse schon ordentlich Geld zurücklegen. Manchmal müssen wir sie bremsen, da sie Tag und Nacht darüber nachdenkt besser zu werden.
Natürlich hat sie auch schon negative Erfahrungen machen müssen, mit Leuten, die trotz fester Zusage und Handschlag sie hintergangen haben. Besonders ein Auslandsvietnamese aus Kanada wurde dabei zum Lehrstück für sie. Aber Fehler sind dazu da, um aus ihnen zu lernen.
Natürlich läuft parallel unsere finanzielle Unterstützung weiter, so wie wir es zugesagt haben.
Für mich gibt es vor allem immer viel, viel Arbeit für Luongs Website
Ständig Fotos und Texte von Wohnungen und Häusern in drei Sprachen unterzubringen und alles zu pflegen ist schon eine Heidenarbeit. Ich habe dabei auch viel Gehirnschmalz eingesetzt, um uns mit der Suchmaschinenoptimierung bei Google höher im Ranking zu bringen. Das ist mir gelungen.
Jetzt stehe ich vor der Herausforderung noch eine weitere Sprache, nämlich Russisch zu integrieren.
Aber gerade die Qualität der Website erregt bei vielen Eigentümern Aufsehen und ist ein klarer Wettbewerbsvorteil.
In der von mir entwickelten Vision und Strategie für Luongs kleine Firma steht auch das Thema Expansion. Ich hatte angedacht, etwa in zwei Jahren bei Erfolg den nächsten Schritt zu gehen und auch personell zu expandieren.
Für den boomenden russischen Markt brauchen wir aber unbedingt eine Muttersprachlerin und einen Internetauftritt in Vkontakte, dem russischen Facebook, mit entsprechenden Links, zu den dann bald in Russisch erscheinenden Teilen unserer Website.
Das ist viel weitere Arbeit, die ansteht. Außerdem überlegen wir, eventuell Luongs Bruder zu überzeugen, sich hier in Nha Trang einen Job zu suchen, möglichst in einer Behörde. Er hat gerade sein Jurastudium (Verwaltungsrecht) in Saigon abgeschlossen und könnte für uns sehr nützlich sein, in einer Behörde in Nha Trang. Nebenbei könnte er in Luongs Firma die rechtlichen Aspekte beachten, bei Verträgen und anderswo.
Luong möchte sich jetzt auch verstärkt um den Markt der Haus- und Wohnungsverkäufe kümmern. Im Gegensatz zu Deutschland besteht hier nur die Aufgabe den richtigen Verkäufer mit dem richtigen Käufer zusammenzubringen. Die rechtlichen und administrativen Dinge muss der Verkäufer in der Regel selbstständig regeln, oder wir können ihm dann einen eigenen Juristen anbieten.
In der Zwischenzeit haben wir uns mit den dreien gut befreundet und Luongs Sohn Dung besonders mit dem gleichaltrigen Gleb. Da Gleb nur ukrainisch / russisch spricht können sie sich beide nicht verbal verständigen. Das hindert sie aber nicht ganz toll miteinander zu spielen.
Julia und ihr Mann Alexander lebten vorher hundert Kilometer entfernt von Tschernobyl und haben in den letzten Jahren dort für amerikanische und europäische Firmen gearbeitet, die den neuen Sarkophag für die Nuklearruine bauen. Seit aber die Verhältnisse in der Ukraine so schlecht geworden sind wollten sie nur noch weg. In Vietnam wollen sie einige Jahre arbeiten und leben, um danach eventuell ihren Traum zu erfüllen, nach Australien zu gehen.
Julia ist in Russland geboren und als Kind mit ihren Eltern in die Ukraine gegangen.
Beide haben eine sehr kritische Haltung zu ihrer neuen Regierung aber auch zu dem was die russische Seite berichtet. Irgendwie stehen sie wohl zwischen Baum und Borke.
Wir haben schon mehrere nette Abende, bei Essen und Wein, mit ihnen verbracht und wir verstehen uns wirklich gut.
Wir glauben, dass Julia die richtige sein könnte das Geschäft mit Luong zu stabilisieren und weiter zu entwickeln.
Alles was aber IT betrifft und den Überblick über die Finanzen bleibt in meiner Hand.
Auch meine Website ist modernisiert worden.
Wenn ich mir die Analysedaten dieser Website ansehe, dann stelle ich fest, dass mehr als 40 Prozent der Besucher aus den USA kommen. Vielen Dank an Claudia und die Muttersprachler, dass sie mir so gut geholfen haben.
Leider haben wir noch keine Anfragen aus den USA aber daran müssen wir auch noch arbeiten.
Mitte Februar endet die Hochsaison hier. Sie begann vor Weihnachten und reichte über unser Neujahr, über das russische Weihnachten am 07. Januar, das russische Neujahr am 23. Januar und endet nach dem asiatischen Neujahrsfest am 15. Februar.
In dieser Zeit stiegen die Inlandsflugpreise um 300 Prozent und auch die Mietpreise für Apartments legten ordentlich zu. Danach kehrt aber wieder Normalität ein, besonders bei den Preisen. Ab Ende Februar können wir es allen empfehlen nach Vietnam zu reisen. Es ist dann auch die trockenste Jahreszeit.
Dann wollen Elke und ich auch noch einmal allein nach Hanoi fliegen, um uns dort einige Tage zu amüsieren. Außerdem steht noch die gemeinsame Reise mit Luong und Dung in den Yok Don Nationalpark an, zu den freilebenden Elefanten.